Klösterliches Leben hoch über der Donau

zur Geschichte des Prämonstratenserstifts Marchtal

Es waren unruhige Zeiten im 8. Jahrhundert, als der Name „Marhcthala“ erstmals in den Geschichtsquellen des Raumes zwischen Donau und Bussen auftaucht. Es ging dabei um die Neuordnung eines von den Franken eroberten alamannischen Gebietes, das in verschiedene Gaue eingeteilt war.

In diesem Zusammenhang tritt 776 n. Chr. klösterliches Leben in Marchtal in das Licht der Geschichte: Ein fränkischer Graf Agylolf und seine Verwandten übertragen das Kloster des hl. Petrus, das auf einem Felsen hoch über der Donau wohl schon länger existierte, dem berühmten Benediktinerkloster St. Gallen in der Schweiz. Bald versinkt diese erst  Klostergründung  quellenmäßig wieder im Dunkel der Geschichte.

Im 10. Jahrhundert erfolgt dann eine zweite Gründung, jetzt in Form eines den Aposteln Petrus und Paulus geweihten Kanonikerstiftes mit sieben Kanonikaten, die mit Pfründen ausgestattet waren.

Dieses Stift existierte bis 1171, war aber durch häufige Besitzerwechsel einem schleichenden Niedergang verfallen.

Pfalzgraf Hugo von Tübingen griff 1171, auch politisch motiviert, in die Marchtaler Situation ein und veranlasste  die nun dritte Gründung eines Klosters an diesem geschichtsträchtigen Ort: Aus dem seit 1126 bestehenden Prämonstratenserkloster Mönchsrot (Rot an der Rot) kamen 12 Chorherren und mehrere Chorfrauen und gründeten das Doppelstift Marchtal. Diese Gründung hatte mehr als 600 Jahre Bestand und sollte erst in der Säkularisation des beginnenden 19. Jahrhunderts zu Ende gehen.

1273 wurde von Probst Konrad ein Aufnahmeverbot für Chorfrauen erlassen, so dass das Frauenstift allmählich ausstarb.

Das Chorherren-Stift erweiterte in den nächsten Jahrzehnten seinen Besitz in der Gegend beträchtlich, wurde 1440 Abtei und 1500 reichsunmittelbar mit Sitz im Reichstag.

Im 18. Jahrhundert gehörte dem Reichstift Marchtal ein geschlossenes Territorium vom Fuss der Schwäbischen Alb bis zum Federsee mit mehr als 10 Dörfern.

Das jähe Ende dieser großen monastischen Tradition kam mit dem Reichsdeputationshauptschluss vom 2. Februar 1803, in dessen Gefolge das Stift aufgehoben wurde und der gesamte Besitz an das bayerische Fürstenhaus Thurn und Taxis fiel. Am 31. März 1803 verließen die 41 Prämonstratenser endgültig ihr Kloster.

Von dieser großen Tradition klösterlichen Lebens über der Donau zeugt heute noch in eindrucksvoller Weise die barocke Klosteranlage, die nach den Wirren des 30-jährigen Krieges an Stelle des stark beschädigten romanischen Vorgängerklosters von 1686 bis1769 gebaut wurde und den Beginn des Barockzeitalters in Oberschwaben markiert.

Die 2001 zum Münster erhobene Klosterkirche mit ihrer berühmten Holzhey-Orgel, die Alte Sakristei, der Kapitelsaal mit seinem beeindruckenden Chorgestühl und das von italienischem Rokoko geprägte Sommerrefektorium (Spiegelsaal) sind sehenswerte „Highlights“ der Klosteranlage, die seit 1973 im Besitz der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist und neben einer Mädchenrealschule ein Studienkolleg (gymnasiale Oberstufe), die Kirchliche Akademie der Lehrerfortbildung und ein Tagungshaus beherbergt.

Diese Institutionen führen die große Marchtaler Tradition auf den Gebieten der Pädagogik, der Theologie und der Kunst, die mit den Namen der Chorherren Sebastian Sailer, Isfried Kayser und Sixtus Bachmann untrennbar verbunden ist, unter den Bedingungen und Anforderungen unserer Zeit weiter.

Das reiche kulturelle Erbe des Reichstiftes Marchtal in Musik, Literatur und christlicher Spiritualität zu fördern und für die Menschen unserer Tage zu erschließen und kreativ zu entfalten ist Ziel und Zweck des Fördervereins für Kirchenmusik und Klosterkultur Obermarchtal e. V.

Dr. Berthold Saup